Nachdem wir uns beim Frühstück für den Tag gestärkt haben, möchte ich den gestern im Hotel bestellten Rollstuhl für Peter beim Concierge abholen und die Kaution von 1000 Yen mittels Kreditkarte bezahlen. Aber, wen wundert es, meine Kreditkarte wird nicht akzeptiert. Die freundliche junge Frau vom Kreuzfahrtberater springt mit ihrer Karte ein. Aber die gesamte Prozedur dauert so lange, dass wir die letzten Zwei sind, die zum Bus kommen. Der Fahrer verstaut den Rollstuhl und ab geht die Fahrt in Richtung Sommerpalast, der etwas außerhalb von Peking liegt. Es ist 8.10 Uhr, wir haben also nur 10 Minuten Verspätung verursacht.
Auf dem Weg zum Sommerpalast halten wir für eine Besichtigung an einer Perlenmanufaktur. Hier werden Süßwasserperlen verarbeitet und verkauft. Wir werden freundlich begrüßt und bekommen gezeigt, wie groß eine Süßwasserauster ist: etwa zwei Handteller groß. Wir sollen schätzen, wie viele Perle wohl in einer solchen Auster heranreifen. Von 1 bis 10 ist jede Zahl dabei - wobei ich die 10 in die Waagschale geworfen habe. Die Auster wird geöffnet und es sind 40 kleine Perlen in der armen Muschel. Na gut, da ich am dichtesten an der richtigen Zahl dran war, bekomme ich eine von den kleinen Perlen geschenkt. Sie hat die Größe von einem etwas größeren pinkfarbenen Reiskorn - sie soll mir Glück bringen, sagt die junge Chinesin. Normalerweise werden diese kleinen Perlen für Kosmetik zermahlen. Dann sollen wir möglichst viele und möglichst teure Perlen kaufen. Aber ich habe niemanden gesehen, der seine Brieftasche gezückt hätte. Weiter geht die Fahrt zum Sommerpalast. Der Rollstuhl wird ausgeladen und ich schiebe meinen Mann heute selbst durch die weitläufige Anlage. Das kostet einige Körner... Da ich mein Handy heute im Hotel vergessen habe, hoffe ich, das Annemarie und Ecki schöne Fotos machen werden. Der Sommerpalast liegt an einem See, besteht aus mehreren Gebäuden und wir kommen wieder in keines hinein. Aber die Anlage ist sehr schön und wir marschieren den 750 m langen Wandelgang am Seeufer entlang. Wenn kleine Treppen den sonst geraden Weg unterbrechen, steigt Peter aus und klettert über Stufen und Absätze, und ich habe immer Hilfe von Annemarie oder jemand anderem aus der Reisegruppe, den Rollstuhl über diese Hindernisse zu transportieren.
Nach eineinhalb Stunden geht die Fahrt weiter in Richtung Chinesische Mauer - aber bevor wir zur Mauer kommen, gibt es in einer überfüllten Touristen-Gaststätte Mittagessen. Und oh Wunder, es gibt wieder chinesisches Essen. Inzwischen haben wir uns an die Essstäbchen gewöhnt - bis auf einige Wenige, die lieber zur Gabel greifen. Der Weg zur Gaststätte führt durch eine Schauwerkstatt für Emaille-Arbeiten, deren eigentlicher Zweck der Verkauf von diversen Emaille-Artikeln ist. Wir kaufen wieder nichts.
Dann endlich erreichen wir die Berge, auf dessen Kämmen sich die Mauer schlängelt. Wir haben hier eineinhalb Stunden Zeit, die Mauer auf eigene Faust zu erklimmen. Es führen viele, viele Stufen in unterschiedlicher Höhe hinauf. Annemarie und Eckhard stürmen voraus. Annemarie hat sich ihre Walking-Stöcke mitgenommen, die ihr beim Erklimmen der Stufen gute Dienste leisten. Ich bin das erste Stück, das aus ein paar Stufen und einer ansteigenden Schräge besteht, gemeinsam mit Peter gegangen. Dann wird die Treppe aber so steil, dass sie für Peter unmöglich zu bewältigen ist. Er schickt mich allein los und geht später zurück, um am Fuße der Mauer einen Kaffee zu genießen.
Annemarie und Ecki sind inzwischen weit enteilt und ich kämpfe mich die Stufen hinterher. Ehrlich gesagt, wäre ich am liebsten nach den ersten 100 Stufen gern wieder umgekehrt, aber da Annemarie nach ihrer kürzlich überstandenen Hüftoperation immer höher steigt, kann ich unmöglich aufgeben und klettere auch weiter. Das Schlimmste sind die unterschiedlichen Höhen der einzelnen Stufen, manche sind 50 cm hoch, andere höchstens 15 cm. Am zweiten Wachturm habe ich die Beiden endlich eingeholt. Wir erklären uns mit unserer Leistung zufrieden und genießen den Blick über die Berge und die Mauer, die auf der anderen Seite der Straße ebenfalls in die Höhe führt. Auf unserer Seite könnte man noch einen oder zwei weitere Wachtürme erreichen. Aber da klettert kaum noch jemand hinauf. Wir auch nicht, denn jetzt wartet ja noch der Abstieg auf uns. An das Geländer geklammert wagen wir den steilen Abstieg, machen einige Verschnaufpausen und stehen glücklich und mit zitternden Beinen endlich wieder unten, wo Peter auf uns gewartet hat. Nicht alle aus unserer Reisegruppe haben die Mauer so weit erklommen, wie wir. Das macht uns natürlich auch stolz!
Auf der Fahrt zurück nach Peking fahren wir an einigen Olympiastadien vorbei bis wir nach etwa zwei Stunden an dem Restaurant der Wahl unserer Reiseleiterinnen zum Abendessen ankommen. Es gibt ausnahmsweise chinesisches Essen. Wir sitzen wie immer an runden Tischen, auf denen die Speisen auf der Glasplatte in der Mitte an uns vorbei kreisen. Jeder kann sich nehmen, was Auge und Gaumen begehren. Manchmal ist das aber auch ein Abenteuer, weil wir nicht wissen, was wir da zu uns nehmen. Schmeckt aber alles gut und wir werden beruhigt, da Ratte und Schlange viel zu teuer wären. Das Fleisch ist Huhn, Lamm und Schwein heißt es - immer mit anderem Gemüse und anderen Soßen angerichtet oder in einem knusprigen Teig gebacken. Eine große Schüssel Reis und ein Topf mit Suppe gehört natürlich zu jedem chinesischen Essen.
Dann geht es zurück ins Hotel, wo wir den Rollstuhl wieder abgeben und Mareike vom Kreuzfahrtberater ihre 1000 Yen Kaution zurück auf die Kreditkarte gebucht bekommt.
Ich packe die Koffer um, da wir morgen mit dem Hochgeschwindigkeitszug weiter fahren. Da nehmen wir nur das Handgepäck mit und die großen Koffer werden separat transportiert. Wir sehen sie erst in zwei Tagen wieder. Die chinesischen Bestimmungen wurden kürzlich wieder geändert. Wir dürfen im Zug keine Sprays, keine Messer, Scheren oder andere gefährlichen Gegenstände transportieren. Es wird strenger kontrolliert, wie in Flugzeugen! Diese Dinge würden wir unweigerlich los werden, sagt unsere chinesische Reiseleiterin. Sie versucht, alles einzusammeln und durch einen Mann, der bei der Eisenbahn arbeitet und etwas Geld "unter dem Tisch" bekommen hat, die Sachen in den Zug zu schmuggeln. Das könnte bis Pingyao klappen, wie es dann auf den nächsten Etappen weitergeht, ist noch unklar.
So nun aber ins Bett, ich bin hundemüde und meine Oberschenkel fühlen sich an, als ob ich bei "Laurentia, liebe Laurentia mein" mitgemacht hätte...
Im Garten des Sommerplastes - Spaziergang an der Uferpromenade und das Marmorboot (eigentlich ein Pavillon zum Ausruhen in der Form eines Bootes).
Auf der Mauer, auf der Lauer kraxeln die Touristen - und Foto von unserem Hotel in Peking